Ja, ich habe ein WordPress Blog am Laufen. Ja, ich schreibe sogar WordPress Plugins. Nein, die WordPress-Releasepolitik verstehe ich dennoch nicht.

Das WordPress Projekt wird schlechter geführt als ein Stundenhotel im Frankfurter Bahnhofsviertel. Das Release-Datum der nächsten Version wird normalerweise durch den Wurf eines 365seitigen Würfels ermittelt und der Wert zum heutigen Datum addiert. Damit es für Supporter wie z.B. Übersetzer, Plugin-Entwickler und anderem Gesindel nicht ganz so einfach gemacht wird, zeitnah nötige Anpassungen anzubieten, wird das Ergebnis des Wurfs natürlich geheim gehalten. So ist die freudige Überraschung ja auch viel größer. Z.B. darüber, dass sämtliche Plugins mit der neuen Version nicht mehr funktionieren. Nicht so wichtig, dafür gibts ja schliesslich die Möglichkeit Plugins abzuschalten (und nur dafür!).

Plugin-Entwickler sind ja sowieso ein Plage. Ständig fordern sie mehr Dokumentation, Kommunikation und am Ende sogar Kompromisse. Da ist es als Entwickler doch sehr viel angenehmer diese lästig, langweiligen Tätigkeiten der engagierten Community aufs Auge zu drücken. „Hey, wir haben keinen Bock unsere Software zu dokumentieren und außerdem wissen wir sowieso nicht mehr, was wir da damals gehackt haben. Schreibt ihr das mal.“ „Kein Problem, gib mir ’nen Zeddel ich schreib‘ dir auf, was ich weiß.“ Wenn das dann genügend Leute getan haben, heften die Jungs das alles aneinander und veröffentlichen es. Das gibt dann das längste Klopapier der Welt. Inklusive aller damit implizierten Eigenschaften. Das „Gedruckte“ wiederholt sich nach der 5ten Seite, der Informationsgehalt ist geringer als der eines Kleidersammlungs-Flyers und am Ende fehlt sowieso immer ein Stück. Bei WordPress nennt sich dieses Klopapier dann Wiki. Chhh Chhh Chhh Chhh Charmin…

Um der unkontrollierten Klopapierproduktion für dieses Release Herr zu werden, hat das WordPress Kartell zur Sicherheit dann schon vor Wochen die Zellulosefproduktion unterbunden. Da heißt es dann lapidar beim Versuch Seiten im Wiki zu editieren „editing disabled during move. Will be back shortly.“ Das ist nicht nur grammatikalisch und syntaktisch falsch, es deckt sich auch nicht mit meinem Zeitgefühl. Man muss ihnen allerdings zugestehen, dass der Term „shortly“ selbstverständlich immer subjektiv zu sehen ist. Für Leute wie Connor MacLeod, David Broussard oder meine weniger bekannte Lieblingskassiererin Frau Bunge verschwimmen Tage, Wochen und Monate zu einem kurzen Aufzucken in der Ewigkeit.

Und wo ich gerade von superlativem Klopapier geredet habe, sei hier schnell noch die unglaubliche Vielfalt eines Blogsystems wie WordPress hervorgehoben. Die Jungs bei WordPress leben es uns vor und gehen mit gutem Beispiel voran, so ein Blog kann man einfach für alles benutzen: Forum, CMS, Bugtracking-Tool, selbstverständlich auch hervorrangend geeignet zum Posten von Releasenotes und demnächst auch (mit den nötigen Plugins) in den Ausprägungen WYSIWYG-Editor, Grafikverarbeitung, Tabellenkalkualtion, Betriebssystem, Amarena-Kirsch und Apfelgelee-Bratwurst für 60 Euro-Cent das (tar-)Bällchen. Und wenn Du heute noch WordPress installierst, bekommst du den ersten Post gratis dazu. Wer kann dazu schon „Nein“ sagen.

Ich nicht. Das ist mein Dilemma und die Antwort auf die Frage, die sich vielleicht der eine oder andere Leser dieses Beitrags schon gestellt hat: „Warum tust du dir das dann an?“ Wie schon gesagt, ich kann einfach nicht „Nein“ sagen. Oder anders ausgedrückt, der Mangel an Alternativen zwingt mich dazu. Es vergeht kein Tag, an dem mein Chef nicht auf Microsoft schimpft und trotzdem ist unsere Firma ein treuer Microsoft-Kunde. Eben weil es keine Alternativen gibt (Hey ihr Linux-Verfechter: Steckt euren Degen wieder in die Scheide und versucht es in 10 Jahren noch mal bei mir).

Über diesen Artikel

Author:

Veröffentlicht: 15. August 2005

Kategorie: Bloggen

3 Kommentare: Zu den Kommentaren


Kommentare sind geschlossen

Für diesen Eintrag können derzeit keine Kommentare geschrieben werden.